Um den Begriff HSP ranken sich viele Fragen, Annahmen und auch Bewertungen. Was genau hat es damit auf sich und woher kommt diese Bezeichnung? Woran erkenne ich HSP? Und was kann ich tun, wenn ich mich selbst darin wiedererkenne? Lass uns gemeinsam diesen Fragen auf den Grund gehen und die verschiedenen Aspekte unter die Lupe nehmen.

HSP - hochsensible Person

Was heißt HSP? Drei Buchstaben gehen um die Welt

Ursprünglich geprägt wurde der Begriff in den Neunziger Jahren von der Psychologin  Elaine N. Aron, die damit Menschen beschrieb, die verschiedene hochsensible Wesensmerkmale aufweisen. Diese bezeichnete sie fortan als Highly Sensitive Person (im deutschen: Hochsensible Person) und kürzte den Begriff als HSP ab. In der deutschen Übersetzung ihres Standardwerks zur Hochsensibilität wird der Begriff HSM (Hochsensibler Mensch) verwendet, doch mit der Zeit wurde auch hierzulande die englische Abkürzung immer gebräuchlicher. Weitere gebräuchliche Begriffe sind z.B. Hypersensibilität oder auch Hochsensitivität. Durch die bahnbrechenden Forschungen und Veröffentlichungen von Aron ging die Abkürzung HSP um die Welt und machte das Thema Hochsensibilität zum ersten Mal einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich. Heute geht man davon aus, dass knapp ein Fünftel aller Menschen hochsensibel sind. Entgegen des klassischen Rollenbildes gibt es offenbar ähnlich viele hochsensible Männer wie Frauen.

Wie erkenne ich HSP?

In ihrem Buch hat Aron auch einen HSP-Test erstellt, mit dem Interessierte herausfinden können, ob sie hochsensibel sind. Heute gibt es im Internet verschiedene weitere Tests zum Erkennen von Hochsensibilität, die auch umfangreicher sind. Auf meiner Website findest du ebenfalls einen HSP-Test, der bei der Auswertung auch eine hilfreiche Einschätzung liefert. Im nächsten Abschnitt findest du eine Übersicht der zentralen Kriterien, wie du HSP erkennen kannst.

Damit kannst du herausfinden, ob bei dir eine höhere sensorische Verarbeitungs-Sensitivität vorliegt (aus dem englischen: sensory processing sensitivity oder kurz SPS). Das bedeutet, dass du Reize und Informationen aus der Umwelt stärker oder feiner wahrnimmst als andere Menschen, und diese Reize auch intensiver verarbeitest. Dies kann einen oder mehrere Sinneskanäle betreffen, wodurch das zentrale Nervensystem stärker durch physische, emotionale oder zwischenmenschliche Stimuli angeregt wird.

Eine HSP hat also durchlässigere Wahrnehmungsfilter, wodurch sie viele Eindrücke feiner empfindet und Reize länger nachwirken. Dadurch braucht auch das Gehirn länger zur Verarbeitung aller Prozesse. Doch woran genau kannst du im Alltag bemerken, dass du eine hochsensible Person bist?

Dem Thema habe ich übrigens auch eine eigene Podcastepisode gewidmet. Schau sie dir gern auf Youtube an:

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Bin ich hochsensibel?

Um herauszufinden, ob die Beschreibungen für HSP auf dich zutreffen, kannst du auf zwei Faktoren achten:

  1. Deine Sinneskanäle
  2. Deine Wesensmerkmale

Wie bereits erwähnt, kann sich die Hochsensibilität durch einen oder mehrere Sinneskanäle bemerkbar machen, wodurch auch vielschichtige Merkmale entstehen können. Aus dem Zusammenspiel von beiden kannst du genau beobachten, wie sich deine Hochsensibilität möglicherweise ausprägt.

Fangen wir mit den Sinnen an und schauen, wie sich dabei eine hochsensible Reizverarbeitung zeigen kann:

  • Hören: Durch die intensive auditive Reizverarbeitung kommt es sehr häufig zu einer hohen Empfindlichkeit gegenüber lauten Geräuschen, insbesondere bei nichtnatürlichen Geräuschquellen, wie Fahrzeugen, Küchengeräten oder lauten Nachbarn. Leise Geräusche werden sehr detailliert wahrgenommen. Viele Klänge und Stimmen werden auf eine ganz sinnliche Art empfunden.
  • Sehen: Hier zeigt sich eine deutliche Reizbarkeit gegenüber bestimmten Lichtquellen, wie etwa Kunstlicht. Farben und kunstästhetische Elemente werden als äußerst lebendig empfunden. Auch Gefühle oder Stimmungen werden visuell stark wahrgenommen, besonders in Gesischtern.
  • Tasten: Auf der Haut anliegende Kleidung, Fältchen oder Etiketten lösen oft ein permanentes Störempfinden aus. Berührungen oder Wettereinflüsse werden äußerst sensibel gespürt, die Stimuli schnell als zu heftig wahrgenommen.
  • Schmecken: Getränke oder Gerichte werden oft als übersalzen oder überzuckert empfunden. Vielschichtige Geschmacksnoten können unterschieden werden, wobei es schnell zur Reizüberforderung kommen kann.
  • Riechen: Alltagsgerüche und Gewürznoten werden sehr fein wahrgenommen, auch aus größerer Entfernung. Gegen viele künstliche Düfte, wie Deodorants oder Waschmittel bildet sich eine große Abneigung bis hin zu Übelkeit.

Je nachdem, welche und wieviele Sinneskanäle und Wahrnehmungsfilter durchlässiger sind, ergeben sich daraus vielfältige hochsensible Wesensmerkmale. Dabei finden sich einige zentrale Eigenschaften, die sehr viele HSP an sich entdecken:

  • tiefes Verständnis und Einfühlungsvermögen
  • dringender Wunsch nach viel Ruhe und Erholung
  • sehr reiche innere Gefühlswelt
  • großes Harmoniebedürfnis und Gerechtigkeitsempfinden
  • intensive Leidenschaftlichkeit und Hingabe
  • häufige Überreizung der Sinneskanäle
  • ausgeprägte Sorgfalt und Zuverlässigkeit
  • schnelle Müdigkeit und lange Erschöpfungsphasen
  • langes Nachsinnen von Erfahrungen und Überdenken von Entscheidungen

Erkennst du dich bei einigen Punkten wieder? Solltest du einen oder mehrere deiner Sinne so fein und intensiv wahrnehmen sowie mehrere der Wesensmerkmale an dir entdecken, dann bist du wahrscheinlich eine hochsensible Person (HSP).

Wie du vielleicht bemerkt hast, ergeben sich daraus einerseits fabelhafte Potenziale und Fähigkeiten, andererseits aber auch so manche Herausforderungen und Konflikte für HSP im Alltag. Wie kannst du eine gute Balance finden und die hochsensiblen Hürden in deine Wünsche und Ziele integrieren? Um das herauszufinden, sollten wir vorab eine wichtige Frage klären:

Hochsensibilität – Fluch oder Segen?

Das Phänomen Hochsensibilität und HSP ist bis heute nicht ausreichend wissenschaftlich fundiert erforscht. Deshalb basieren HSP-Tests und viele Konzepte rund um das Thema vor allem auf (Selbst-)Erfahrungen und (Selbst-)Zuschreibungen. Besonders die Medizin und die Psychologie stehen dem Phänomen größtenteils kritisch gegenüber, weil sie es bisher nicht klar zu anderen psychischen Auffälligkeiten oder gar Krankheiten abgrenzen kann.

Und genau hier ergibt sich ein Dilemma für Menschen, die hochsensible Merkmale an sich entdecken. Durch den Wunsch nach einer umfassenden Erklärung für ihr So-Sein hören sie dann öfter die typisch klinischen Begriffe wie »Diagnose«, »Symptome« oder bestimmte »Syndrome«, mit denen hochsensibel sein beschrieben oder in Zusammenhang gebracht wird. Schnell entsteht daraus eine fatale Überzeugung: »Ich habe eine Krankheit, einen Makel, ein psychisches Problem und brauche Heilung durch eine Therapie.« Mit dieser Einstellung erleben viele Hochsensible ein persönliches Defizit oder einen charakterlichen Mangel, den sie abwehren oder korrigieren müssten.

Zum Glück hält Elaine Aron bereits auf den ersten Seiten ihres Buches dagegen und beschreibt sehr eindrucksvoll, warum die Annahme mit einem Makel behaftet zu sein nicht der Wahrheit entspricht. Aus ihren umfassenden Untersuchungen und Interviews ergibt sich nämlich die Erkenntnis, dass Hochsensibilität eine Veranlagung ist, wie etwa Linkshändigkeit oder die sexuelle Orientierung. Somit ist es objektiv betrachtet weder »gut« noch »schlecht« hochsensibel zu sein, sondern es ist ein Wesensmerkmal wie viele andere. Aron rät dazu: »Am besten betrachtet man diesen Wesenszug als neutral.« Vielleicht denkst du jetzt: »Schön und gut, aber in manchen Situationen habe ich als HSP ziemliche Probleme.« Denn wie wir bereits festgestellt haben, ergeben sich aus jedem Wesensmerkmal neben wertvollen Potenzialen auch so manche Schwierigkeiten. Wie können wir damit umgehen?

Ich bin hochsensibel – was kann ich tun?

Durch das ständig erhöhte Reizniveau hat das hochsensible Gehirn tatsächlich deutlich mehr zu verarbeiten. Diese Intensität kann in vielen sozialen Situationen zu Überreizung und Überforderung führen. Dann spürt jede HSP den notfallartigen Wunsch nach Rückzug und Ruhe. Die Überlastung der Eindrücke wird dann als sehr leidvoll empfunden und die ständige Flucht davor als Mangel an Möglichkeiten und Kompetenzen sich zu entfalten.

Den ersten wichtigen Schritt haben wir bereits erkannt: die Akzeptanz des hochsensiblen Wesenszuges als neutral zu bewertende Eigenschaft. Das bedeutet nicht, die damit einhergehenden Probleme zu verleugnen, sondern sie genauso anzunehmen wie die schönen Seiten der intensiveren Reizwahrnehmung, zum Beispiel beim Musik hören. Die Annahme deines Wesens als HSP öffnet dir die Tür für alle weiteren Möglichkeiten und Erkundungen deiner hochsensiblen Art.

Im nächsten Schritt kannst du dann einen achtsamen Umgang mit dir entwickeln. Dabei lernst du, deine hochsensible Wahrnehmung auf deine Bedürfnisse zu lenken, und damit deine Selbstkenntnis auszubauen: Was empfinde ich gerade? Was brauche ich? Wie geht es meinem Körper? Was möchte ich als Nächstes tun?

Daraus ergibt sich als weiterer Schritt, deine Selbstsorge zu etablieren – deine Bedürfnisse und Wünsche zu äußern und danach zu handeln. Das kann bedeuten, dir regelmäßige Auszeiten zu nehmen oder dich bewusst und sorgsam in herausfordernden Momenten zu verhalten. Damit kannst du eine wirksame Abgrenzung entfalten, die gleichzeitig einen regen Austausch und tiefe Verbindungen zulassen kann. Mit diesen drei Schritten kannst du bereits viel verändern und eine innere Gelassenheit aufbauen, um entspannter und selbstbestimmter schwierige Situationen zu meistern. Darüber hinaus gibt es noch viele weitere wundervolle Wege für hochsensible Menschen, die aktiv ihr Leben gestalten möchten.

HSP - hochsensibel rausgehen

Out HSP – raus zum hochsensiblen Horizont und darüber hinaus

Stell dir vor, du kannst in jeder Lebenslage ganz bei dir sein und dabei intuitiv deine Träume und Talente verwirklichen. Du bist nicht nur in deinen eigenen vier Wänden ganz bei dir selbst, sondern kannst auch stressfrei nach außen gehen oder ganz entspannt reisen. Klingt zu schön, um wahr zu sein? Das ist durchaus realistisch, wenn du deinen eigenen Werten nachspürst, daraus deine persönlichen Ziele entwickelst und dafür neue stimmige Gewohnheiten etablierst.

Der Schlüssel dazu liegt in deinen hochsensiblen Fähigkeiten. Nimm zum Beispiel die oben beschriebenen Wesensmerkmale wie Empathie, Leidenschaft oder Detailverliebtheit. Daraus kannst du wunderbare Dinge für dich und dein Umfeld entwickeln, die du jetzt vielleicht noch gar nicht erahnen kannst. Es ist oft nur eine Frage der eigenen Ermutigung – dann kannst du mit jedem kleinen Schritt deinen hochsensiblen Horizont behutsam erweitern.

Denn unsere Persönlichkeit umfasst noch viel mehr als die Identität als HSP – unsere Hochsensibilität ist ein Wesenszug von vielen weiteren. Wenn wir uns nicht durch erlernte Glaubenssätze darauf reduzieren lassen, können wir an uns vielfältige Facetten und individuelle Talente entdecken.

Die Erkundung deiner hochsensiblen Potenziale ist ein guter Anfang dafür. Geh raus und bring sie zum Erblühen.

Frage: Wie hast du bemerkt, dass du hochsensibel bist? Wie gehst du als HSP in deinem Alltag damit um? Teile deine Erfahrungen und Erkenntnisse gern in den Kommentaren.