Abgrenzung lernen und Verbindungen schaffen für Hochsensible

3 wirksame Methoden für eine hilfreiche Abgrenzung ohne Isolation und Einsamkeit

Mit dieser drängenden Frage sehen sich Hochsensible (HSP) immer wieder konfrontiert: Wie kann ich mich gut abgrenzen? Denn im Grunde wollen wir die Welt um uns erfahren sowie unsere innere Welt mitteilen – doch ohne ständig überreizt und überfordert zu sein. Wie können hochsensible Menschen eine sinnvolle Abgrenzung lernen und gleichzeitig eine tiefe Verbindung schaffen?

Abgrenzung lernen

Die wundervolle Welt der Offenheit

Gleich zu Beginn möchte ich mit einem zentralen blockierenden Glaubenssatz aufräumen, den viele Hochsensible immer wieder eingetrichtert bekommen und ihn lange mit sich herumtragen: »Sei doch nicht so sensibel« oder auch: »Nimm dir doch nicht alles so zu Herzen«. So oder in ähnlicher Form wird hochsensiblen Menschen oft auch von wohlmeinenden Freunden vermittelt, dass etwas mit ihnen nicht stimmt und ihr So-Sein nicht in Ordnung ist. 

Doch es ist nicht falsch oder gar pathologisch, durchlässige Grenzen und hochsensible Filter zur Umwelt und den Mitmenschen zu haben. Im Gegenteil, diese Form der Offenheit ist zutiefst menschlich und schafft eine Empathie und Nähe, wie sie nur wünschenswert sein kann – sowohl persönlich, zwischenmenschlich als auch gesellschaftlich. Der Psychoanalytiker Arno Gruen beschrieb diese menschliche Offenheit als wichtige Fähigkeit zu unreglementierter Wahrnehmung und Erfahrung: echte Emotionen zu empfinden, »hinter« die Dinge schauen zu können und auch zu spüren, wenn etwa Gesagtes und Gefühltes nicht kongruent sind oder wenn Verhalten und Mimik nicht zusammenpassen. Erst dadurch wird Authentizität im Umgang mit sich selbst und anderen möglich, und erst dadurch können wir zu wahrer Stärke gelangen. 

Ein guter Umgang mit unserer hochsensiblen Offenheit setzt eine wirksame Selbstsorge voraus, um in den richtigen Momenten Grenzen setzen zu können. Denn natürlich kann die eigene Hochsensibilität häufiger zu Überreizung und Überforderung führen, was eine tiefe innere Unruhe und Erschöpfung bewirken kann. Dann ist es nicht nur sinnvoll, sondern notwendig, Strategien zur hilfreichen Abgrenzung zu lernen, die weiterhin einen mitfühlenden und offenen Austausch zulassen. Schauen wir uns dafür drei praktische Methoden an, und mit welchen Werkzeugen sie im Alltag angewendet werden können.

1. Äußere Abgrenzung lernen

Gerade wenn im hochsensiblen Alltag mal wieder alles verschwimmt und äußere Reize mit eigenen Gedanken, Gefühlen und körperlichen Empfindungen durcheinander gewirbelt werden, ist es hilfreich, die einzelnen Komponenten getrennt zu betrachten. Das erzeugt nicht nur Klarheit und Bewusstheit, sondern erleichtert auch die praktischen Schritte zu einer wirksamen, äußeren Abgrenzung. Diese Schritte sind sowohl im privaten Bereich als auch für den hochsensiblen Berufsweg sinnvoll.

Beleuchten wir deshalb zuerst die physischen und pragmatischen Komponenten: deine Kontakte und Informationskanäle zur Umwelt. Oft nutzen wir diese nämlich unbewusst, wie auf Autopilot, weil sie über die Jahre zu unhinterfragten Gewohnheiten geworden sind. Das kann dazu führen, dass diese Kanäle uns »benutzen«, ohne dass wir dies noch bemerken oder beeinflussen können. Typische Beispiele dafür sind das sonntägliche Telefonat mit den Eltern, der gesellige Mittagstisch in der Firma oder die abendliche Nachrichtensendung. Dabei bemerken wir oft nicht mehr, ob uns das überhaupt gut tut, wie viel Aufmerksamkeit und Energie es uns kostet oder ob wir daraus etwas Aufbauendes oder Inspiration ziehen können. 

Dabei stecken genau hier wichtige Stellschrauben, wie du deine wunderbare Fähigkeit der hochsensiblen Offenheit und Anteilnahme bewusst einsetzen kannst, ohne dich zu verausgaben. Dafür kannst du ein persönliches Journal nutzen, welches du täglich ergänzen kannst:

Journal zur äußeren Abgrenzung

  • Lege eine Seite mit zwei Spalten an. Liste in der linken Spalte untereinander alle deine persönlichen Kontakte auf, die du pflegst, egal ob privat oder beruflich. Dazu zählen auch telefonische oder schriftliche Kontakte. Ergänze diese Liste immer dann, wenn dir weitere Kontakte einfallen oder begegnen.
  • Lege eine zweite Seite im selben Format an, wo du links alle Informationskanäle einträgst, die dir im Laufe der Tage auffallen (z.B. Nachrichten, Zeitungen, Social Media-Kanäle, Gespräche, Bücher, usw.) Versuche wie ein Detektiv alle Kanäle zu entdecken, aus denen du Informationen aus deiner Umwelt beziehst. 
  • Nutze nun die rechte Spalte auf beiden Seiten, um dir kurze Notizen zu folgenden Stichwörtern zu machen: Häufigkeit, Dauer, gefühlte Intensität, Inhalte, Art, Aktivitäten, Beteiligte, Umstände… versuche, dir alle möglichen Aspekte des Kontakts oder Kanals bewusst zu machen. Das sind später die Stellschrauben, mit denen du sie verändern kannst. 
  • Frage dich nun selbstehrlich zu jedem Punkt: Wie geht es mir damit? Was macht das körperlich mit mir (Energie, Kraft)? Was tut mir gut und was nicht? Was brauche ich wann? Was brauche ich nicht? Was kann ich unterlassen, vermindern oder anhand der möglichen Stellschrauben justieren (z.B. die Häufigkeit eines Kontakts oder die Intensität eines Kanals)? 

Dieses Journal kann dir helfen, den Autopiloten deiner alltäglichen Kontakte und Informationskanäle auszuschalten und bewusste Entscheidungen nach deinen Bedürfnissen und Wünschen zu treffen. Bereits die Veränderung eines Aspektes kann viel Druck rausnehmen und Veränderungen bewirken. Somit kannst du Schritt für Schritt weitere Aspekte angehen, sinnvolle Grenzen setzen und deine Selbstsorge immer weiter etablieren. 

2. Innere Abgrenzung lernen

Betrachten wir nun die mentalen und emotionalen Komponenten, die sich in unserer »inneren Welt« abspielen. Hierbei kommen wir auch den bereits erwähnten Glaubenssätzen auf die Spur, die oft unbewusst in uns wirken und unser Denken, Fühlen und Handeln bestimmen. Greifen wir dafür noch einmal den Satz »Sei doch nicht so sensibel« auf: Wenn wir ihn unhinterfragt in uns tragen, vermittelt er uns permanent das Gefühl, nicht richtig zu sein und unsere hochsensible Wahrnehmung reglementieren zu müssen. Dadurch verlassen wir uns nicht mehr auf unsere Wahrnehmung und eigene Intuition, sondern entfremden uns von dieser, indem wir äußere Einstellungen und Bewertungen übernehmen. Somit ist eine individuelle innere Abgrenzung kaum noch möglich. Das liegt nicht daran, dass wir offenherzig sind, sondern weil wir unseren inneren Standpunkt verlassen und verleugnet haben. 

Dieser Selbstentfremdung können wir nur begegnen, indem wir uns wieder auf unsere hochsensible Wahrnehmung besinnen und diese auch wertschätzen. 

Ein weiterer verbreiteter Glaubenssatz unter Hochsensiblen lautet: »Ich darf nicht egoistisch sein.« oder in anderer Form: »Ich muss für andere da sein.« Damit einher geht ein enormes Verantwortungsbewusstsein und sich zuständig fühlen für alles und jeden. Dabei sehen wir uns dann ständig mit äußeren Handlungsaufrufen, verlangenden Bitten und immer weiteren Aufgaben konfrontiert. Eigene Bedürfnisse oder Ziele sind dann immer mit einem Gefühl der Schuld und Scham belegt und werden den Wünschen anderer untergeordnet, bis hin zur Aufopferung und Selbstaufgabe. Dabei verschwimmt besonders die Wahrnehmung unserer eigenen Gefühle in Abgrenzung zu fremden Gefühlen, wodurch es ebenfalls schwer ist, emotionale Grenzen zu setzen.

Diese Selbstentfremdung und Aufopferung führt oft dazu, dass wir uns permanent mit anderen vergleichen und eigene (hochsensible) Besonderheiten und Grenzen nicht anerkennen können. Daraus ergibt sich zum Beispiel der Glaubenssatz: »Ich müsste das alles schaffen« oder »Ich muss durchhalten«, obwohl wir in diesem Moment einfach nur Ruhe und Entlastung bräuchten. Es ist wie mit einem Kind, dem erwachsene Verantwortung aufgebürdet wird, unter der es nur zusammenbrechen und verzweifeln kann. 

Was würdest du tun, wenn du so einem Kind begegnest? Sicherlich würdest du es beschützen, umsorgen und es nicht solch enormem Druck aussetzen – dasselbe darfst du mit deiner hochsensiblen Wahrnehmung und deinen feinen Filtern tun. Mit den Worten von Julia Cameron ausgedrückt: »Wir glauben, dass wir stark werden, wenn wir hart zu uns sind. Tatsächlich werden wir stark, indem wir für uns sorgen.«

Es gibt leider noch viele weitere erlernte Glaubenssätze, die uns mental und emotional blockieren und eine sinnvolle hochsensible Abgrenzung erschweren. Generell darfst du immer dann hellhörig werden, wenn in deinem Kopf Sätze ganz automatisch abgespult werden, die meist mit »Ich müsste, sollte, darf nicht…« beginnen oder die verallgemeinernd von »man« sprechen: »Man darf nicht nein sagen« oder »Man muss immer erreichbar sein«.

Ein wirksames Werkzeug, um wieder bei dir und deinen Gefühlen, Bedürfnissen und Wünschen anzukommen, ist Achtsamkeit zu dir selbst aufzubauen. Dafür gibt es vielfältige Übungen, die du im Alltag anwenden kannst. Eine wundervolle Übung möchte ich dir vorstellen:

Die Sanduhr-Meditation

Du kannst diese Übung im Sitzen oder Stehen durchführen – halte deinen Oberkörper aufrecht, lass deine Schultern locker nach unten hängen, und stelle deine Füße nebeneinander auf den Boden. Deine Arme kannst du nebeneinander auf deinen Schoß legen oder sie seitlich runterhängen lassen.

Schritt 1: 

  • Schließe nun deine Augen oder senke deinen Blick.
  • Öffne deine Aufmerksamkeit für das, was gerade ist: Wie geht es mir? Was beschäftigt mich grad? Welche Gedanken sind gerade da? Welche Gefühle begleiten sie? Wie fühle ich mich grad? 
  • Versuche einfach nur offen dafür zu sein, was da gerade ist, ohne es zu bewerten oder verändern zu wollen.

Schritt 2:

  • Fokussiere deine Aufmerksamkeit nun auf deine Atmung: wie du ein- und ausatmest. Konzentriere dich dabei nur auf deine Sinneseindrücke des Atmens (zB. der Luftstrom durch deinen Körper, die Bauchdecke hebt und senkt sich, usw.).
  • Du brauchst deine Atmung nicht zu kontrollieren oder zu verändern. Lass sie einfach selbst atmen und nimm diese Eindrücke wahr. 
  • Wenn deine Aufmerksamkeit zu Gedanken, Sorgen oder Aufgaben abdriftet: Das ist ganz normal und kein Fehler. Nimm das Abdriften kurz bewusst wahr und lenke deine Aufmerksamkeit sanft wieder zurück auf deine Atmung.

Schritt 3:

  • Erweitere nun deine Aufmerksamkeit auf deinen Körper, als würde dein ganzer Körper ein- und ausatmen.
  • Was nimmst du sinnlich auf deiner Haut wahr? Was in deinem Körper? (zB. die Bodenhaftung deiner Füße, die Temperatur auf deiner Haut, Verspannungen im Rücken, ein Zwicken im Oberschenkel, usw.)
  • Versuche auch hier nichts verändern oder bewerten zu wollen, sondern nur zu spüren, was da gerade ist. Sei ganz bei deinem Körper im Hier & Jetzt.

Wende diese Übung 1-2 Mal täglich als formelle Übung an, wenn du gerade Zeit und Ruhe hast, sowie in jeder stressigen oder überfordernden Situation. Du kannst sie unterwegs für nur 3 Minuten durchführen (jeder Schritt ca. 1 Minute), oder wenn die Umstände es zulassen gern so lange, wie du möchtest. Besonders wirksam ist die Übung auch dann, wenn du merkst, wie sich ein blockierender Glaubenssatz in dir breit gemacht hat oder du das Gefühl hast, dich nicht mehr mental und emotional abgrenzen zu können. Anfangs können schnell Gedanken auftauchen, wie: »Ich mache es falsch« oder »Es funktioniert bei mir nicht«. Lass dich auch von diesen automatischen Sätzen nicht entmutigen. Diese Meditation entfaltet ihre ganze Kraft durch kontinuierliche Wiederholungen. Mit der Zeit und etwas Übung kannst du dadurch tiefe Selbstkenntnis und starke Selbstakzeptanz erlangen, um nach deinen Bedürfnissen Grenzen setzen zu können. 

Abgrenzung lernen und Verbindungen schaffen für Hochsensible

3. Balance aus Freiheit und Verbindung schaffen

Dieser Schritt integriert das zutiefst menschliche Bedürfnis nach individueller Freiheit und Abgrenzung einerseits und authentischer Verbindung und Nähe andererseits. Das ist aber erst möglich, wenn die beiden Schritte zuvor als gute Gewohnheit im Alltag verankert sind. Denn solange insbesondere Hochsensible sich äußerlich und innerlich nicht gut abgrenzen können, werden sie stets mit Überreizung und Erschöpfung zu kämpfen haben. Dann gibt es nur einen nagenden Wunsch: bloß weg von allem und sich in die häusliche Höhle zurückziehen, um endlich mal Ruhe zu finden. 

Aber selbst der introvertierteste Mensch braucht Beziehungen und Austausch mit anderen, weil wir Menschen evolutionär bedingt soziale Wesen sind. Erst wenn wir unsere innere Welt nach außen hin ausdrücken und die äußere Welt entdecken und erfahren, können wir uns auch selbst erkennen und entwickeln. Für die Autorin Brenda Ueland wird dies durch einen inneren kreativen Impuls angetrieben: »Diese kreative Kraft und Imagination ist in jedem von uns, genauso wie das Bedürfnis sie auszudrücken und mit anderen zu teilen.« 

Dabei beschreibt sie auch, wie wichtig es ist, auf sich selbst zu vertrauen und sich zu akzeptieren. Wenn also die beiden ersten Schritte gefestigt sind, können wir zwei elementare Blockierungen auflösen: erstens Überforderung, innere Unruhe und Erschöpfung und zweitens Einsamkeit, Isolation und Abschottung. Die Balance aus Freiheit und Verbindung ist der Schlüssel zu einem ausgeglichenen und glücklichen Umgang mit sich selbst und der Umwelt. 

Doch wie können wir diese Balance praktisch erschaffen? Eine wirksame Methode dafür ist, dir dein alltägliches Handeln und Schaffen bewusst zu machen und es in nährende und zehrende Aktivitäten zu sortieren: Was von meinem täglichen Tun baut mich auf, gibt mir Kraft und bringt mir Spaß und Lebensfreude? Und was davon laugt mich aus, kostet mich viel Energie und Überwindung oder ist schlicht langweilig oder gar sinnlos? 

Eine weitere Möglichkeit ist das »Reframing« zehrender Aktivitäten: sie in einen neuen Rahmen zu setzen, und so zu verändern, dass du sie neu bewerten kannst und daraus neutralere oder gar nährende Aktivitäten werden können. Es ist nämlich entscheidend, wie du Dinge angehst und sie bewertest: zum Beispiel mit wem, wann, wo, wie lange oder unter welchen Bedingungen du etwas tust. 

Mir erging es so mit der Aktivität »Sport treiben«. So wie ich sie im Sportunterricht erlebt habe, konnte ich jede körperliche Anstrengung und Bewegung nur hassen und sie als extrem lästig empfinden. Besonders joggen war für mich ein Greuel. Doch dann fing ich an, diese Aktivitäten nach meinen Vorlieben und Bedürfnissen zu gestalten, und entdeckte, dass ich sehr gern Fahrrad fahre und schwimme – in meinem Tempo, meiner Dauer, und lieber im Wald bzw. im See, als in der Stadt oder im Schwimmbad. 

Meine Erkenntnis dabei war: es gibt unzählige Möglichkeiten, die Aktivität »Sport treiben« mit Leben zu füllen, nach meinen individuellen Bedürfnissen und Wünschen. Das verändert so manche zehrende Tätigkeit in eine angenehmere Aktivität. Deshalb ist es sehr hilfreich, wenn du dir eine Liste deiner alltäglichen Handlungen anlegst:

Aktivitäten bewusstmachen & reframen

  • Lege eine Seite mit zwei Spalten an. Trage in die linke Spalte alle nährenden Aktivitäten (N) ein, zB. Musik hören, spazieren gehen, tanzen, schreiben, etc. Denke dabei an alle Dinge, die dir sowohl körperlich als auch emotional gut tun. 
  • Trage in die rechte Spalte alle zehrenden Aktivitäten (Z) ein, zB. telefonieren, Buchhaltung machen, große Treffen, etc. Sollte eine Aktivität nährende und zehrende Anteile haben, dann schreibe dahinter N/Z.
  • Gehe nun jede Z und N/Z-Aktivität durch: Wie kannst du sie Reframen? Was kannst du an der Art und Weise verändern? Wie kannst du sie mehr nach deinen Bedürfnissen gestalten? Welche Aktivitäten kannst du reduzieren, delegieren oder ganz weglassen? 
  • Verteile nun deine N-Aktivitäten großzügig auf deine Wochentage. Dies sind deine Inseln zum Ausruhen, Träumen, kreativ sein, spielen und allem, was dich mental, emotional oder körperlich aufbaut und ausgeglichen macht. Du darfst kleine und größere Inseln schaffen. 

Damit kannst du neben dem Reframen eine gutes Gleichgewicht aus nährenden und zehrenden Aktivitäten aufbauen. So findest du Schritt für Schritt deine persönliche Balance und kannst dadurch leichter, zufriedener und glücklicher deinen Tag gestalten.

Hochsensible Abgrenzung und Verbindung als Einheit verstehen

Diese Komponenten wirken natürlich zusammen und sind im Alltag nicht voneinander zu trennen, so wie wir körperliche, mentale und emotionale Anteile in uns vereinen. Doch wie wir gesehen haben, kann es sehr hilfreich sein, die einzelnen Aspekte getrennt zu erkunden, um in unruhigen und belastenden Situationen Bewusstheit und Klarheit zu erlangen und gute Entscheidungen treffen zu können. Damit kannst du im Zusammenspiel aller Aspekte eine sinnvolle Abgrenzung lernen, eine wirksame Selbstsorge aufbauen und zugleich einen regen Austausch und tiefe Nähe zulassen.  

Diese Balance ermöglicht es dir, eine elementare Wahrheit zu leben: dass Freiheit und Verbindung keine Gegensätze sind, sondern als Einheit zusammengehören, die uns glücklich und ausgeglichen macht. Das kann sich manchmal wie ein Balanceakt auf dem Drahtseil anfühlen. Doch nun hast du hilfreiche Werkzeuge zur Hand, um deine eigenen Grenzen zu erkennen und auszutarieren.

Frage: Wie schaffst du es, dich gut abzugrenzen? Welche Mittel und Maßnahmen helfen dir dabei? Wie ergeht es dir mit der Balance aus Abgrenzung und Verbindung? Schreib es gern unten in die Kommentare.

Hochsensibel im Beruf – wie finde ich zu meiner Berufung?

Der berufliche Weg ist für viele hochsensible Menschen eine echte Herausforderung. Wir spüren einen tiefen inneren Drang viel zu geben und uns einzubringen. Doch in der Arbeitswelt scheint Hochsensibilität oft ein Hindernis zu sein. Wie können wir unsere hochsensiblen Eigenschaften und Fähigkeiten sinnvoll einsetzen, ohne überfordert oder unterfordert zu sein? Und worauf kommt es an, um hochsensibel im Beruf glücklich zu sein?

hochsensibel im Beruf

Im Zick-Zack-Kurs durch die Arbeitswelt

Als ich in das Arbeitsleben gestartet bin, haderte ich immer wieder mit drängenden Fragen: Was macht mich eigentlich glücklich? Welche Berufsfelder können für mich als Hochsensiblen sinnvoll sein? Was bedeutet überhaupt Erfolg für mich? Soll ich mich selbständig machen oder lieber angestellt sein? Was brauche ich, um hochsensibel im Beruf meinen eigenen Weg zu finden?

Getrieben von diesen Fragen probierte ich vieles aus, um endlich Antworten zu finden. Auf einer Landkarte würde mein beruflicher Werdegang viele verschlungene Wege mit sämtlichen Höhen und Tiefen nachzeichnen. Auch in den Gesprächen mit anderen hochsensiblen Menschen zeigte diese Landkarte ähnlich viele Wege und Umwege auf. 

Lange empfand ich diesen Zick-Zack-Kurs als Manko, denn uns wurde doch beigebracht möglichst geradlinig unseren Berufsweg einzuschlagen. Doch gerade als hochsensibler Mann war ich an dieser konkurrenzgetriebenen Karriereleiter nicht interessiert, die zu erklimmen von vielen Männern traditionell erwartet wird. Heute erkenne ich in meinen vielen Umwegen einen unermesslichen Schatz an Erfahrungen und Erkenntnissen, die mich leiten und mir immer wieder bewusst machen, was insbesondere hochsensible Menschen antreibt: eine Berufung zu finden, die aus unserer inneren Motivation entspringt. Dadurch erst spüren wir einen tieferen Sinn und fühlen uns in unserem Element. 

Um herauszufinden, wohin dein innerer Lebenssinn dich leiten möchte und wie du hochsensibel im Beruf glücklich wirst, kannst du dir zwei Grundlagen bewusst machen, auf die du bauen kannst: 

  1. Welche zentralen Fähigkeiten und Talente viele hochsensible Menschen aufgrund ihrer Veranlagung mitbringen.
  2. Welche Kriterien für Hochsensible essenziell sind, um diese Fähigkeiten einsetzen zu können und sich auf ihrem beruflichen Weg glücklich und lebendig zu fühlen.

Wenn diese Grundlagen mit Leben gefüllt sind, dann ist es in vielen Berufsfeldern möglich die hochsensiblen Potenziale zum Erblühen zu bringen. Für uns Hochsensible ist es nämlich nicht nur wichtig, was wir arbeiten, sondern vor allem wie und mit wem wir arbeiten. Dadurch können wir ausgeglichen und motiviert unsere berufliche Laufbahn gestalten. 

Schauen wir uns dafür zunächst die Grundlage der hochsensiblen Fähigkeiten an:

Geniale Talente für hochsensibles Arbeiten und ihre Schattenseiten

So wie jeder Mensch sind natürlich auch Hochsensible verschieden und tragen facettenreiche Fähigkeiten und Eigenheiten in sich. Aus meiner eigenen Erfahrung sowie vielen Gesprächen und Recherchen gibt es aber einige zentrale Grundeigenschaften und Potenziale, die die meisten hochsensiblen Menschen in sich vereinen. Dabei sind sich viele Hochsensible dieser wertvollen Fähigkeiten gar nicht richtig bewusst oder sehen sie ganz bescheiden als Selbstverständlichkeiten an, die doch nicht der Rede wert seien. 

Leider werden diese Fähigkeiten in der klassischen Arbeitswelt tatsächlich desöfteren nicht so gewürdigt, wie ihre enorm positive Wirkkraft es verdient hätte. Doch zum Glück gibt es seit einigen Jahren einen Wandel, unter anderem durch die visionären Ideen des New Work, wo emotionale, soziale und kommunikative Fähigkeiten als Grundvoraussetzung für gutes Arbeiten wertgeschätzt werden. Hochsensibel im Beruf zu wirken und sich auf feinfühlige Art zu engagieren wird dadurch enorm erleichtert.

Deshalb ist es so wichtig, diese hochsensiblen Talente selbstbewusst anzunehmen, auszubauen und einzusetzen. Dabei solltest du auch die Schattenseiten dieser Talente kennen, in die sich viele Hochsensible verstricken können. Es geht nicht darum, diese Schattenseiten zu bekämpfen, denn sie gehören zu den jeweiligen Fähigkeiten dazu. Wenn du sie dir bewusst machst, kannst du sie integrieren und einen sorgsamen Umgang für dich selbst entwickeln. 

Schauen wir uns die hochsensiblen Fähigkeiten mit ihren Licht- und Schattenseiten an:

Sorgfalt

Durch die intensive Reizverarbeitung nehmen hochsensible Menschen ihre Umwelt sehr viel detaillierter und feiner wahr. Dieser Genauigkeit und Detailverliebtheit entgeht auch bei besonders filigranen und vielschichtigen Aufgaben nichts. Mit viel Liebe und Sorgfalt wird jede Einzelheit so lange bearbeitet, bis alles rund ist. Daraus entwickeln Hochsensible eine enorme Gewissenhaftigkeit und ein tiefes Verantwortungsbewusstsein gegenüber den Aufgaben, ihrem Arbeitsbereich und dem Team. 

Auf der Schattenseite kann diese Sorgfalt zu einer endlosen Perfektion ausarten, in die sich Hochsensible verstricken. Dabei halten sie dann tausend Details in der Hand und verlieren sich in Nebensächlichkeiten. Das führt unweigerlich zur Überforderung und Verausgabung. 

Für hochsensible Menschen ist es daher wichtig zu lernen, sich nicht ständig für alles und jeden verantwortlich zu fühlen, sonst geraten sie in eine Spirale der permanenten Aufopferung, Erschöpfung und Frustration. Aufgaben auch »unperfekt« abzuschließen, zu delegieren oder sich helfen zu lassen sind wirksame Maßnahmen zur Integrierung dieser Schattenseite.

Empathie

Aus der intensiven Sinneswahrnehmung entspringt auch die wundervolle Fähigkeit zur tiefgreifenden Empathie. Hochsensible können mit ihrer Feinfühligkeit die Stimmungen und Gefühle ihrer Kollegen aufnehmen und sind dadurch fähig, sich in den anderen hinein zu versetzen. In Gesprächen fällt es ihnen besonders leicht, die Welt mit den Augen ihres Gegenübers zu betrachten und vielfältige Perspektiven einzunehmen. Jede Führungskraft täte gut daran, auch nur einen Bruchteil dieser Fähigkeit bei sich selbst und im Team zu entwickeln.

Eine unabgegrenzte Empathie kann natürlich schnell zu Überreizung und Fremdwahrnehmung führen. Das Gefühl für den eigenen Standpunkt verschwimmt, wenn nicht mehr klar zwischen eigenen und fremden Stimmungen und Sichtweisen unterschieden werden kann. Dann fühlt sich ein empathischer Mensch in vielen sozialen Situationen schutzlos ausgeliefert und als emotionaler Spielball seiner Mitmenschen.

Um diese wacklige innere Unruhe auszugleichen, können Hochsensible eine wirksame Abgrenzung zwischen eigenen und fremden Gefühlen und Werten aufbauen, um einen empathischen Austausch aufzubauen, der auf Selbstsorge und Eigensinn basiert. 

Weisheit

Durch die tiefe Empathie, Sorgfalt und Detailverliebtheit entwickeln hochsensible Menschen meist sehr früh eine Tiefgründigkeit, die komplexe Zusammenhänge und versteckte Muster erkennen kann. Auf ganz natürliche Weise saugen Hochsensible viele Informationen auf und verarbeiten diese sehr gründlich. Das geschieht weniger auf pragmatische Weise, sondern vielmehr mit einer emotionalen Intelligenz (EQ), die das angesammelte Wissen mit einem empathischen Verständnis verknüpft. Deswegen wirken selbst junge Hochsensible oft wie »alte Seelen«, die bereits die milde Weisheit sehr erfahrener Menschen in sich tragen. 

Besonders wenn die eigene Empathie und emotionale Intelligenz nicht akzeptiert sondern bekämpft wird, kann diese hochsensible Weisheit zu starker Verkopftheit sowie permanentem Grübeln und Hadern führen. Das Gehirn ist dann auf der pragmatisch-rationalen Seite völlig überlastet, während die emotional-intuitive Seite immer mehr verkümmert. Dadurch droht eine enorme innere Schwere, Unbeweglichkeit und fehlende kindliche Spontaneität und Lebensfreude. 

Deshalb ist es so entscheidend, seine eigene Hochsensibilität und Empathie zu akzeptieren und als eine wunderbare Quelle emotionaler Intelligenz anzunehmen. Wenn das gelingt, können hochsensible Menschen ein tiefes Verständnis für sich selbst, die Menschen und die Welt entwickeln, das in jeder Hinsicht wertvoll und ausgleichend wirken kann. 

Intuition

Die hohe emotionale Intelligenz birgt noch eine weitere geniale Fähigkeit in sich: die Intuition. Viele Menschen verstehen darunter eine Art Bauchgefühl oder Eingebung, die uns leitet und den Weg zeigt. Tatsächlich entsteht eine starke Intuition durch die Art und Weise, wie unser Gehirn arbeitet – wie schon erwähnt, gibt es eine pragmatisch-rationale Seite (wo vorrangig die linke Gehirnhälfte aktiv ist) und eine emotional-intuitive Seite, wobei die rechte Gehirnhälfte angeregt ist. Hier schlummert eine spielerisch-kreative Genialität, die wir als Kinder oft genutzt haben, um alles um uns zu entdecken und zu verstehen. Leider wird diese Seite durch Erziehung, Schule und Beruf oft als unnütz abgelehnt und geht als wundervolle Ressource verloren. Gerade Hochsensible haben einen starken Zugang zu dieser emotional-intuitiven Seite und können dadurch ganz eigene kreative und visionäre Ideen und Impulse entwickeln. 

Auf der Schattenseite kann es hochsensiblen Menschen passieren, dass sie mit dem Kopf zu sehr in träumerisch-visionären Sphären schweben und dabei mit den Füßen nicht mehr auf solidem Boden stehen. Dann gibt es zwar ganz wundervolle Ideen und Vorhaben, aber die kleinen praktischen Schritte zum Ziel fallen schwer. Für manche Hochsensible wirkt der Alltag dann banal, beengt und frustrierend, weil alles nicht zauberhaft und schnell genug gehen kann. 

Die wunderbare Fähigkeit zur spielerischen Intuition und Vision kann nur dann gedeihen, wenn sie praktisch wirken kann. Wenn aus genialen Ideen auch realistische Ziele entstehen und der Weg dorthin umgesetzt werden kann, dann können Hochsensible mit ihrer Intuition wundervolle Veränderungen erschaffen.

Unterbild Artikel 2 Gehirnhaelften vor Headline Loyalitaet

Loyalität

Wie bei der Sorgfalt und Empathie nehmen viele hochsensible Menschen ihre hohe Loyalität und Zuverlässigkeit gar nicht als geniale Fähigkeit wahr, sondern als selbstverständliche Grundvoraussetzung, um miteinander leben und arbeiten zu können. Dabei ist auch diese Eigenschaft von unschätzbarem Wert, nicht nur in der Arbeitswelt, sondern auch im gesellschaftlichen Miteinander. Wenn Hochsensible von einer Sache überzeugt sind und sie als sinnvoll erleben, dann agieren sie vollkommen selbstlos und engagieren sich zu hundert Prozent dafür. Irgendwelche Ego-Spielchen, Winkelzüge oder intriganten Machenschaften liegen hochsensiblen Menschen fern, denn das würde ihrer Empathie, ideellen Vision und milden Weisheit völlig  zuwider laufen. Durch diese Vertrauenswürdigkeit und Selbstlosigkeit sind Hochsensible echte Teamplayer. Dabei ist ihnen Authentizität im Umgang miteinander besonders wichtig, und das leben sie auch vor.

Auch hier kann eine unbegrenzte und bedingungslose Loyalität zu einer immer größeren Aufopferung für eine Sache werden, bis hin zur Selbstaufgabe. Auch ein Missbrauch dieser Vertrauenswürdigkeit durch Einzelne oder das ganze Team kann für Hochsensible eine bittere Erfahrung sein. 

Deshalb ist es für hochsensible Menschen so wichtig, auf ihre Intuition, Weisheit und Empathie zu bauen, damit sie erkennen können, ob Anliegen, Ziele oder der Umgang im Team tatsächlich authentisch und sinnvoll sind, oder ob sie auf niederen Beweggründen Einzelner beruhen. In solchen Fällen ist eine wirksame Abgrenzung nötig, um die eigenen hochsensiblen Fähigkeiten und Bedürfnisse zu schützen. Im richtigen Umfeld wird Loyalität und Zuverlässigkeit als großer Wert erkannt und geschätzt. 

Mit deinen hochsensiblen Fähigkeiten zur Berufung

Nun hast du zentrale hochsensible Fähigkeiten kennengelernt, die nicht nur auf deinem Berufsweg wundervoll wirken können. Vielleicht erkennst du dabei auch deine eigenen Schattenseiten wieder. Dann möchte ich dir einen Rat geben: Versuche nicht, sie durch überambitionierte Leistungen auszugleichen, sondern sie als Teil deiner wunderbaren Fähigkeiten zu akzeptieren. Es gibt bei vielen Hochsensiblen eine erlernte Überzeugung, die eigene Sensibilität und Emotionalität als Schwäche anzusehen, die durch überzogene Leistung, Verantwortung und Gewissenhaftigkeit ausgeglichen werden müsste. Dabei sind es gerade die Fähigkeiten zu tiefen Gefühlen, Empathie, Vertrauenswürdigkeit und spielerischer Intuition, die einen großen Wert ausmachen. 

Wenn du die dazugehörigen Schattenseiten bewusst annimmst, kannst du deine Überzeugungen und dein Verhalten dabei beobachten und so anpassen, dass du deine hochsensiblen Potenziale zum Erblühen bringst. Doch wie kannst du diese Fähigkeiten auf deinem Weg zur echten Berufung einsetzen? Und was brauchst du dafür? Schauen wir uns dafür die zweite Grundlage an: Welche Kriterien für Hochsensible essenziell sind, um ihren eigenen beruflichen Weg zu gestalten.

Sinn & Bedeutung

Aufgrund der intensiven Reizverarbeitung und daraus entwickelten Tiefgründigkeit suchen Hochsensible immer nach einem tieferen Sinn und einer Bedeutung, auch in alltäglichen Situationen. Deshalb drängt es sie auch auf dem beruflichen Weg nach einem sinnerfüllten Schaffen. Einfach nur Dienst nach Vorschrift machen oder ständiges Abarbeiten von als sinnlos empfundenen Aufgaben hält keine hochsensible Seele lange aus. 

Im Grunde ist das Kriterium »Sinn & Bedeutung« für alle Menschen wichtig. Schon Aristoteles erkannte, dass Glück und Ausgeglichenheit sich dann einstellen, wenn ein Mensch seine Potenziale entfalten kann – erst dann entstehe ein tiefer Sinn. Der Neurologe und Psychiater Viktor Frankl hat in der Logotherapie das sogenannte Frankl-Kreuz entwickelt: auf der vertikalen Achse befindet sich die »Sinndimension«, die unten von »Sinnleere« nach oben zu »Sinnentfaltung« führt. Auf der horizontalen Achse verläuft die »Erfolgsdimension«, die links bei »erfolglos« beginnt und rechts bei «erfolgreich« endet. Diese Erfolgsachse bezieht sich laut Frankl auf äußere Kriterien, die nicht aus dem Herzen kommen, wie Status, Macht oder Geld. Dabei stellte er fest, dass sich der äußere Erfolg für Menschen hohl und leer anfühlt, wenn die innere Sinndimension unberücksichtigt bleibt.

Frankl Kreuz

Gerade für Hochsensible sind diese äußeren Motivatoren wie Status und Macht keine sinnerfüllenden Kriterien, um sich hochsensibel im Beruf verwirklichen zu können. Natürlich möchten auch wir ein sozial abgesichertes Leben führen, aber unser Erfolg basiert weniger auf materiellen als auf ideellen Werten, wie sinnvolles Wirken, authentische Verbindung und tiefgreifendes Erleben. Diese Werte verwirklichst du am besten, indem du deiner inneren Motivation nachgehst. Womit wir direkt zum zweiten Kriterium kommen:

Freiheit & Autonomie

Die innere (oder intrinsische) Motivation ist die einzige »Autorität«, die hochsensible Menschen wirklich anerkennen – oder anerkennen sollten, wenn es um ihren persönlichen Weg geht. Denn das ist gar nicht so einfach, wenn von allen Seiten der beschriebene äußere Erfolgsdruck auf uns einprasselt. Hermann Hesse hat diesen schmerzhaften Zwiespalt wundervoll im Roman »Demian« ausgedrückt: »Ich wollte ja nichts als das zu leben versuchen, was von selber aus mir heraus wollte. Warum war das so sehr schwer?«

Der Psychoanalytiker Arno Gruen gibt darauf in seinen gesellschaftskritischen Büchern eine treffende Antwort, die wie ein Plädoyer für hochsensible Fähigkeiten klingt: Er beschreibt, wie wir von Geburt an beigebracht bekommen, gefälligst nicht auf unsere eigene Wahrnehmung und Gefühle zu hören, sondern uns anzupassen an den »Common Sense«, der vorschreibt, was an Erleben und Empfinden gesellschaftlich annehmbar ist. Das führt zum Beispiel dazu, dass wir in einem Teammeeting zwar in verkrampft lächelnde Gesichter schauen, aber gleichzeitig spüren, dass es unter der Oberfläche brodelt. Diese Wahrnehmung auszudrücken und auch nach ihr zu handeln, wäre der authentische Umgang – doch dies würde nicht dem erlernten Common Sense entsprechen, der von uns verlangt, diese Dinge zu »übersehen« und mitzuspielen. Dadurch müssen wir unsere eigene Wahrnehmung und Autonomie immer weiter reduzieren und sie abhängig von äußeren Ansichten und Werten machen.

Für die hochsensible Wahrnehmung und feine Gefühlswelt stellt diese äußere Forderung eine besonders schmerzhafte Zumutung dar. Deshalb ist es so wichtig, dich aus dieser verstrickten Abhängigkeit heraus zu entwickeln, hin zu deiner persönlichen Freiheit. Das bedeutet: keine Unterwerfung unter sinnlose Hierarchien sowie Ziele oder Vereinbarungen, die deiner intrinsischen Motivation und deinen hochsensiblen Fähigkeiten zuwider laufen. Auch sämtliche Verstrickungen in gesellschaftliche Machenschaften wie Konkurrenzkampf, Statusdruck oder intrigantes Ego-Gehabe solltest du unbedingt lösen oder von Anfang an vermeiden. Dann kannst du deine Energie für das einsetzen, was dich im Innern antreibt und erfüllt. Wenn du dabei auf deine hochsensible Wahrnehmung vertraust, wird sie dich auf deinem Weg leiten. 

Authentizität & Eigensinn

Dieses Kriterium ist eng mit der persönlichen Freiheit verbunden, denn wenn du deiner inneren Motivation nachgehst, wirst du immer mehr »das Eigene« entdecken und kultivieren. Auch dafür spricht uns Hermann Hesse Mut zu: »Eine Tugend gibt es, die liebe ich sehr, eine einzige. Sie heißt Eigensinn.« Auf andere mag das wie verschrobene Eigenbrötlerei wirken, doch Hochsensible möchten einfach ihrer Intuition folgen, und dabei ihre ganz eigenen Ideen und Ideale verwirklichen. Dafür brauchen sie viel Raum und Zeit für sich, um in aller Seelenruhe zu tüfteln und zu werkeln. 

So entsteht langsam aber sicher ein authentisches Schaffen und Wirken: auf deinem eigenen Weg, deiner gewählten Richtung, in deinem Tempo, deiner Intensität und deiner persönlichen Art. Du kannst dabei am besten mit Menschen zusammenarbeiten, die dir vorbehaltlos diesen Raum geben und für sich selbst auch diese Arbeitsweise wählen. Dazu gehört auch, dann Pause zu machen und auszuruhen, wenn du es brauchst, egal wie sehr andere angeblich weiter durchhalten können. Nur du kannst für dich selbst herausfinden, wann, wie und wodurch du Kraft und Motivation zum Machen und Erschaffen findest, und wann du dir Inseln des Entspannens und Genießens gönnst. Wenn diese Wellen aus Anspannung und Entspannung in einer stimmigen Balance sind, dann kann das Arbeiten ein wahrer Genuss sein.

Verbindung & Austausch

Viele hochsensible Menschen empfinden in sich ein Spannungsfeld: das Streben nach persönlicher Freiheit einerseits und dem Wunsch nach echter Verbindung andererseits. Denn auch wenn wir frei nach unserem Eigenen suchen möchten, und uns dafür manchmal abgrenzen und in Ruhe gelassen werden müssen – wir sind soziale Wesen und echte Lebendigkeit entsteht erst dann, wenn wir interagieren und uns austauschen. Dieses Spannungsfeld aus den zwei Grundbedürfnissen erleben alle Menschen in unterschiedlicher Ausprägung. In der Psychologie spricht man dabei vom psychologischen Grundkonflikt, oder anschaulicher vom Zugehörigkeits-Selbstbestimmungs-Konflikt.

Natürlich ist es mitunter nötig, dass du dich erstmal zurückziehst, um für dich herauszufinden, wer du bist und was du brauchst. Deshalb sind die ersten drei Kriterien so entscheidend und brauchen ihren Raum und ihre Zeit. Doch als hochsensibler Mensch ist in dir auch die Empathie angelegt, und mit ihr der Wunsch deine hochsensiblen Fähigkeiten einzusetzen, um andere zu unterstützen, sie zu begleiten, ihr Leben in irgendeiner Form besser zu machen. Erst wenn deine innere Motivation im Austausch mit anderen eine Resonanz erfährt, wird sich dein Schaffen lebendig anfühlen. Dann wirst du auch echte persönliche Freiheit empfinden, wenn deine zwischenmenschlichen Verbindungen auf Vertrauen und authentischem Austausch gründen. 

Auf der beruflichen Ebene bedeutet das: nutze deine hochsensiblen Fähigkeiten, um authentische Angebote an die Welt zu machen und echten (Mehr-)Wert für die Menschen zu erzeugen. Such dir dafür ein Umfeld, wo deine tiefgründige, sorgfältige, empathische und loyale Art wertgeschätzt und auch an dich zurückgegeben wird. 

Berufsfelder für Hochsensible

Mit dem Bewusstsein für deine hochsensiblen Fähigkeiten und den nötigen Kriterien für ein glückliches Arbeiten bist du nun gewappnet für deinen eigenen beruflichen Weg. Natürlich wird es immer wieder auch Phasen oder äußere Notwendigkeiten geben, in denen du Abstriche dabei machen musst. Aber auf lange Sicht wird es dir unglaubliche Möglichkeiten eröffnen, wenn du diese zwei Grundlagen beherzigst und immer weiter verwirklichst. Dann kannst du deine hochsensiblen Potenziale zum Erblühen bringen und dich in deinem Element fühlen. 

Damit ist es theoretisch in jedem Berufsfeld möglich, einen für dich stimmigen Weg zu finden. Manchmal sind es kleine Nischen eines Berufszweiges, die für hochsensible Menschen geeignet sind. Auch hier zeigt sich wieder, wie hilfreich es ist, wenn du dich ausprobierst und vielfältige Erfahrungen sammelst. 

Die hochsensiblen Fähigkeiten und Kriterien legen natürlich manche Berufsfelder nahe, in denen sie einfacher zu verwirklichen sind. Deine hochsensible Intuition und visionären Ideen wirst du in vielen künstlerisch-kreativen Berufen sehr gut entwickeln können. In sämtlichen Forschungs- und Wissenschaftsbereichen kannst du dazu auch deine Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit sehr gut einsetzen. Genau diese Fähigkeit braucht es auch für die Arbeit in Archiven, Bibliotheken oder historischen Feldern sowie für (kunst-)handwerkliche Tätigkeiten. Die hochsensible Empathie und milde Weisheit ist in allen sozialen, pädagogischen und psychologischen Berufen von unschätzbarem Wert, sowie für jede Arbeit, die Menschen begleitet, unterstützt oder berät. Hier ist besonders die Loyalität und Vertrauenswürdigkeit unverzichtbar.

Für mich zeichnete die Begegnung mit einem Steinmetz das Bild eines geglückten hochsensiblen Schaffens eindrucksvoll nach: Er erschuf Grabsteine, die das Leben und Wirken des Verstorbenen symbolisieren. Wenn er sich mit den Angehörigen traf, um die Gestaltung des Steins zu besprechen, ging er unglaublich behutsam und wertschätzend vor. Dabei hatte er wundervolle Ideen für den persönlichen Grabstein, die er empathisch mit den Vorstellungen der Angehörigen verband. Dafür schöpfte er aus seiner vielfältigen Lebenserfahrung und vertraute auf seine kreative Intuition. Dann werkelte er stundenlang am Grabstein und schenkte ihm seine liebevolle Aufmerksamkeit, ganz vertieft in jedes kleinste Detail und mit einer zeitlosen Seelenruhe. Wenn er den fertigen Stein präsentierte, erfüllten ihn die berührenden Reaktionen der Angehörigen mit einem tiefen Sinn, denn er hatte zu ihrer Familiengeschichte etwas Wertvolles beigetragen. Gleichzeitig entdeckte er mit jedem individuellen Schicksal auch etwas Neues über sich selbst und das Leben. Er fühlte sich berufen. 

Hochsensibel im Beruf – selbständig oder angestellt?

Diese Frage treibt viele hochsensible Menschen um, besonders wenn sie sich die zwei Grundlagen bewusst gemacht haben. Denn sie verdeutlichen, was Hochsensible oft schon unbewusst spüren: in der klassischen Arbeitswelt sind diese Kriterien als Angestellter kaum zu verwirklichen. 

Fangen wir deshalb mit einem kleinen Gedankenspiel an: stellen wir uns eine Welt und Gesellschaft vor, in der wir von Anfang an ermutigt werden, unsere eigene Wahrnehmung und somit unsere Bedürfnisse und Gefühle ernstzunehmen und nach ihnen zu handeln. Wir wachsen in einem Umfeld auf, das hochsensible Fähigkeiten nicht nur akzeptiert, sondern sie auch aktiv fördert. Somit könnten wir all unsere schlummernden Potenziale auf ganz natürliche Weise entfalten und für unser Leben und Arbeiten sinnvoll einsetzen. In so einer Welt dürften wohl sehr viele Hochsensible den Mut, die Kraft und die Zuversicht in »das Eigene« entwickeln, um selbständig tätig zu sein. 

Denn dafür braucht es einen bewussten und akzeptierenden Umgang mit der eigenen Hochsensibilität sowie wirksame Werkzeuge für schwierige und überfordernde Situationen. Besonders die Fähigkeiten zur wirksamen Abgrenzung und zum entspannten Genießen sind dafür von enormer Bedeutung. Leider tragen viele hochsensible Menschen aus ihrer Erziehung und ihren Erfahrungen viele negative Glaubenssätze mit in ihr weiteres Leben, die sie an ihren hochsensiblen Fähigkeiten fortwährend zweifeln lassen. Solange diese Überzeugungen wirken, ist der Zugang zu den eigenen Potenzialen blockiert. Dann fällt es sehr schwer auf seine eigene Intuition zu vertrauen und mit ihr die Herausforderungen der Selbständigkeit und der Arbeitswelt allgemein anzugehen.

Doch zum Glück wandelt sich auch die Arbeitswelt für Angestellte: Die hochsensiblen Fähigkeiten – im Businessbereich gern »Soft Skills« genannt – gewinnen immer mehr an Bedeutung. Durch die Impulse der New Work-Bewegung entstehen in modernen Unternehmen Ideen und Strukturen, die ein selbständiges, authentisches und sinnzentriertes Arbeiten ermöglichen. In seinem Buch »Reinventing Organizations« beschreibt der Wirtschaftsphilosoph Frédéric Laloux eindrucksvoll, wie manche Betriebe das bereits erfolgreich umsetzen: zum Beispiel wird für wichtige Entscheidungen ein wirkungsvoller Beratungsprozess angewandt, der alle Beteiligten involviert. Dabei kann auf eine Management-Ebene verzichtet werden, weil die Eigenverantwortung und Selbstinitiative aller Mitarbeiter gefördert wird, während sie Selbstwirksamkeit und Veränderungskompetenz erleben. Außerdem wird ein »integrales Arbeiten« ermöglicht, wo man sich nicht mehr hinter einer professionellen Maske verstecken muss, sondern all seine Facetten und Potenziale einbringen kann. In solch einem Umfeld werden die klassischen Grenzen zwischen angestellt und selbständig arbeiten aufgelöst, und die Kriterien für ein geglücktes hochsensibles Arbeiten können verwirklicht werden. 

Die Philosophie der hochsensiblen Berufung

Ich möchte gern noch einen philosophischen Gedanken mit dir teilen: der Weg von intuitiven und hochsensiblen Menschen ist nicht geradlinig, sondern spiralförmig. Wir umkreisen unsere Träume und Wünsche immer wieder auf einer neuen Ebene, bis sie zu einem Weg mit einem kraftvollen Ziel werden. Das braucht Zeit, Ruhe und eine intuitive Zuversicht. Deshalb sind viele Umwege und Versuche keine Fehler, sondern wir lernen das ganze Terrain kennen und entwickeln die Erfahrung und Weisheit, um unsere hochsensiblen Fähigkeiten mit den richtigen Kriterien voll einsetzen zu können. 

Manchmal wirst du aufgrund deiner hochsensiblen Veranlagung das Gefühl haben, dein Umfeld und die Umstände sind einfach nicht dafür gemacht, dich frei zu entfalten. Mache dir in solchen Momenten bewusst, dass deine hochsensiblen Fähigkeiten zusammen mit den Kriterien dein Fixstern sind, nach dem du dich immer richten kannst. 

Dieser Fixstern wirft sein Licht auf unsere hochsensible Berufung: unser Potenzial zu nutzen, um Wahres, Schönes und Gutes zu erschaffen. Das ist unsere eigentliche Aufgabe. Dabei geht es nicht um bahnbrechende Erfindungen oder großspurige Entwürfe, sondern zuerst um die kleinen Schritte im Alltag. Wenn wir im Kleinen mit unserem ganzen Wesen wirken können, entstehen die großen Veränderungen von ganz allein.

Frage: Wie setzt du deine hochsensiblen Fähigkeiten ein? Welche Erfahrungen hast du dabei auf deinem beruflichen Weg gemacht? Teile deine Erkenntnisse gern unten in den Kommentaren mit. 

Hochsensibilität und Überreizung – was tun gegen die Flut?

5 praktische Schritte, um hochsensibel schwierige Situationen zu meistern.

Für viele hochsensible Menschen gehört die Reizüberflutung durch unzählige Sinneseindrücke zum Alltag. Dadurch entsteht oft ein Gefühl der inneren Unruhe und Überforderung bis hin zu völliger Erschöpfung. Viele Menschen sehen aufgrund ihrer Hochsensibilität als Ausweg nur den sozialen Rückzug. Doch es gibt wunderbare Werkzeuge, um mit der Flut der äußeren Reize hilfreich umzugehen.

Hochsensibilität

Hochsensibilität im Alltag – durch wilde Wasser manövrieren

Ich freute mich riesig auf das Wochenende – endlich mal wieder tanzen gehen! Meine Freunde und ich verabredeten uns vorher in einem Restaurant, um alle Neuigkeiten auszutauschen. Schon der Weg dorthin wurde zu einer Odyssee. Als ich zur Bahn lief, stritt ein Pärchen lautstark hinter mir, während vor mir jemand seinen Zigarettenrauch ausbreitete. An mir vorbei knatterten gefühlt nur Autos mit defektem Auspuff. Die Bahn war völlig überfüllt mit einer Mischung aus angetrunkenen Partygängern, schreienden Kindern und einer laut telefonierenden Frau neben mir.

Im Restaurant bemerkte ich zuerst das grelle Deckenlicht und einen penetranten Geruch von Duftkerzen. Ein Freund neben mir rutschte fahrig auf seinem Stuhl hin und her und wirkte irgendwie unter Druck. Auf mein Nachfragen sagte er, alles sei Bestens, doch sein verbissener Gesichtsausdruck erzählte etwas anderes. Meine Freunde fingen an wild durcheinander zu reden, und alles worauf ich mich konzentrieren konnte, war dieses kleine Etikett an meinem Hemd, das permanent auf meiner Haut rieb. Das Geplapper vermischte sich mit allen anderen Eindrücken zu einem schwindligen Strudel, auf dem ich irgendwie versuchte hindurch zu paddeln, bis mich die aufpochenden Kopfschmerzen zur Flucht auf mein Sofa zwangen.

Wieder einmal konnte ich aufgrund meiner Hochsensibilität nicht einfach rausgehen und das tun, was mir wichtig war oder Spaß machte. Egal ob Freunde treffen, einen Workshop durchführen, entspannt reisen oder andere Aktivitäten – ständig stieß ich auf meinem Weg an diese hochsensiblen Hürden, die mir immer wieder Überreizung, Unruhe und Erschöpfung bescherten. Deshalb traute ich mich lange Zeit nur in seichte Gewässer, was meine Motivation und Möglichkeiten deutlich einschränkte.

Die Flut gekonnt kanalisieren

Ich wollte nicht länger hinnehmen, dass mich die Reizüberflutungen so im Griff haben. Zu sehr spürte ich meine innere Motivation rauszugehen und meine Träume und Talente zu verwirklichen. Über viele Umwege und Rückschläge entdeckte ich immer mehr Möglichkeiten, mit meiner hochsensiblen Veranlagung umzugehen, auch wenn manche Situationen herausfordernd sind.

Dafür fand ich einen wichtigen Schlüssel: Lange existierte in meinem Denken nur ein »entweder oder«, was mich in der Konsequenz entweder zu völliger Überlastung oder zu sozialer Isolation führte. In vielen Situationen schien etwas dazwischen unmöglich. Erst als ich anfing ein »sowohl als auch« zu leben, konnte ich sowohl meinen Wünschen und Plänen aktiv nachgehen als auch auf meine hochsensiblen Bedürfnisse achten.

Dabei lernte ich Schritt für Schritt, wie ich die vielen Eindrücke kanalisieren kann, um eine hilfreiche Balance aus Erfahrung und Abgrenzung aufzubauen. Gleichzeitig akzeptierte ich meine hochsensible Art und nahm ihre Besonderheiten und Bedürfnisse an. Diese Akzeptanz war anfangs gar nicht so einfach zu erlangen, weil ich mich als hochsensibler Mann auch mit alten Rollenklischees vom harten und emotionslosen Männlichkeitsideal konfrontiert sah. Doch während ich meiner Hochsensibilität Raum und Zeit zum Ankommen und Entspannen gab, beschenkte sie mich mit immer mehr Kraft zum Erblühen und Erleben.

5 Schritte hinaus aufs Meer deiner Möglichkeiten

Auf lange Sicht kristallisierten sich einige Methoden heraus, die mir konsequent halfen, mich aus dem Griff der Reizüberflutung zu befreien. Durch diese Schritte lernte ich, all die Reize und Informationen mit innerer Ruhe zu verarbeiten und schwierige Situationen mit Gelassenheit anzugehen. Ich möchte sie gern mit dir teilen, weil ich überzeugt bin, dass sie dich auf deinem hochsensiblen Weg enorm unterstützen können.

Zu jedem Schritt findest du praktische Werkzeuge, die du direkt in deinem Alltag ausprobieren kannst.

Schritt 1: Akzeptanz – Schalte den SOS-Modus ab

In unserer Kultur lernen wir häufig von kleinauf, auf Schwierigkeiten und Probleme sofort reagieren zu müssen und direkt eine perfekte Lösung parat zu haben. Das ist besonders für Hochsensible im Berufsleben eine Herausforderung. Wir fühlen uns dann gezwungen, schnell und effektiv zu handeln, obwohl wir eigentlich tiefgründig und nachhaltig wirken wollen. Dadurch schalten wir in alltäglichen Situationen immer öfter den Notfallmodus ein, der eigentlich nur für extreme, lebensbedrohliche Gefahren angelegt ist. So können viele Menschen den Moment nicht mehr wahrnehmen und erstmal so stehenlassen, sondern reagieren mit purem Stress und Panik. Für Hochsensible kann das schnell zu völliger Überlastung führen. Die vorübergehende Lösungslosigkeit fühlt sich dann tatsächlich sehr bedrohlich an. Kleine Eindrücke können so zu einem wilden Tier wachsen, das uns in Stücke reißen möchte, wenn wir nicht sofort fliehen oder angreifen.

Im normalen Alltag gibt es zum Glück sehr selten lebensbedrohliche Situationen, die eine sofortige Reaktion verlangen. Um diesen SOS-Modus abzuschalten, ist es hilfreich den Reiz von der Reaktion zu trennen. Sag innerlich zu dir: »Moment mal!«* und halte inne. So wird ein Raum dazwischen frei, der dir Zeit und Ruhe verschafft. Das gelingt am besten, wenn du versuchst alle Eindrücke erstmal nur wahrzunehmen und die gegenwärtige Situation zu akzeptieren. Konzentriere dich dabei nur auf deine Sinne: Was sehe, höre, rieche ich? Der Notfallmodus wird immer wieder versuchen, sich dazwischen zu drängen – getarnt als Aufforderungen sofort zu reagieren. Anstatt dagegen anzukämpfen, versuche sie bewusst wahrzunehmen und einfach stehenzulassen.

Anfangs wird dir das vielleicht schwerfallen, weil dieser SOS-Modus so mächtig trainiert ist. Dann kannst du zur Unterstützung deine Aufmerksamkeit auf deinen Atem lenken. Nimm körperlich wahr, wie du ein- und ausatmest. Und wenn deine Gedanken zu den Aufforderungen abdriften, stelle es einfach kurz fest und lenke dann deine Aufmerksamkeit behutsam wieder zu deinem Atem. Dadurch leitest du deinen Fokus weg von der Reaktion und Überforderung hin zum achtsamen Moment. So entsteht mit der Zeit ein Akzeptanz-Modus, der dir erlaubt in Ruhe herauszufinden, was du jetzt brauchst, um hilfreiche Entscheidungen zu treffen.

Leitfaden Schritt 1: Schalte den SOS-Modus aus & den Akzeptanz-Modus an

  • Trenne Reiz von Reaktion (»Moment mal!«) & nutze den Raum dazwischen
  • Achtsamkeit: Nimm deine Sinneseindrücke bewusst wahr
  • Akzeptanz: Lass die Situation & Aufforderungs-Impulse so stehen
  • Zur Unterstützung: Lenke deinen Fokus auf deinen Atem

* nach Klaus Grochowiak

Schritt 2: Setze Kurs auf Neubewertung

Als nächsten Schritt kannst du herausfinden, wie du überfordernde Situationen bewertest und welche Reaktionen diese Bewertung hervorruft. Diese Reaktionsmuster laufen meist unbewusst ab, und wir handeln dabei auf »Autopilot«. Dadurch fühlen wir uns vielen Eindrücken und Situationen machtlos ausgeliefert, weil es so erscheint, dass sie nur diese eine Reaktion zulassen.

Vielleicht hast du schon einmal vom ABC-Schema* gehört: Es gibt ein auslösendes Ereignis (A – activating event) und eine Reaktion darauf (C – consequence). Diese beiden Punkte nehmen wir bewusst wahr und glauben deshalb, dass unsere Handlung die unausweichliche Reaktion von einem Ereignis ist. Wenn ich zum Beispiel ein laut hupendes Auto höre (A), dann reagiere ich darauf normalerweise mit Ärger und Stress (C). Doch dazwischen findet ein kognitiver Prozess statt, nämlich die Bewertung des Ereignisses (B – belief). Diese Bewertung entsteht durch unsere erlernten Überzeugungen, Glaubenssätze und Einstellungen. Dies geschieht unbewusst, weshalb wir glauben keinen direkten Einfluss auf unsere Reaktionsmuster zu haben.

Doch mit diesem Wissen kannst du lernen, dir deine Bewertungen bewusst zu machen und dadurch deine Reaktionen zu verändern. Als ersten Schritt kannst du deine Beobachtungen von deinen Bewertungen trennen. Beschreibe dabei eine Situation (A) so, wie sie eine Kamera von oben aufzeichnen würde. Was können wir auf dem Bildschirm tatsächlich sehen? Nehmen wir als Beispiel: wir sehen, dass du ein Restaurant betrittst, an jedem Tisch sitzen Leute. Wir sehen durch ihre Gestik und Mimik, dass sie sich angeregt unterhalten. Nun betrachte deine Bewertung (B) dazu. Vielleicht hast du aufgrund deiner bisherigen Erfahrungen die Überzeugung etabliert, dass diese Situation generell nur Überreizung bedeuten kann. Also wirst du wahrscheinlich die Konsequenz (C) ziehen, dass ein Rückzug nötig ist. Für viele Hochsensible ist dies die einzig denkbare Reaktion, um sich vor Reizüberflutung zu schützen.

Nun kannst du dich fragen: Welchen Preis zahle ich, wenn ich diese Bewertung aufrecht erhalte? Was passiert, wenn ich die Bewertung fallenlasse oder aufweiche? Welche neuen Möglichkeiten könnten sich dadurch für mich ergeben? Eine Neubewertung kann dazu führen, dass du auslösende Momente differenzierter wahrnimmst und dadurch neugierig und offen auf neue Situationen zugehst. Vielleicht fühlst du dich heute ausgeglichener als beim letzten Restaurantbesuch. Vielleicht kannst du dich heute mehr auf deine Bedürfnisse konzentrieren. Vielleicht versuchst du es heute mal für eine halbe Stunde und schaust, was passiert.

Wenn du alte Glaubenssätze durch hilfreichere Bewertungen ersetzt, können dich alte Gewohnheiten und Reaktionsmuster nicht mehr so einschränken. Du kannst dich bewusst entscheiden, jede Situation für neue Erfahrungen zu nutzen und dadurch deinen Handlungsspielraum zu erweitern.

Leitfaden Schritt 2: Erweitere deinen Handlungsspielraum

  • Trenne deine Beobachtungen von deinen Bewertungen (Kamera-Perspektive)
  • Mach dir deine Glaubenssätze & Bewertungen (B) bewusst & hinterfrage sie
  • Formuliere neue, hilfreiche Bewertungen & Glaubenssätze
  • Entdecke dadurch neue Handlungsmöglichkeiten

* nach Albert Ellis

Hochsensibilität und Überreizung was tun gegen die Flut?

Schritt 3: Wirf Informationen über Bord

Dieser Schritt dient dazu, dein Stressniveau generell zu verringern: Indem du Reize aus der Umwelt wohldosierst, sodass du möglichst stressfrei und mit einer gelassenen Grundhaltung in Situationen gehen kannst. Es mag wie einer dieser banalen Ratschläge klingen: »Nimm nicht so viele Informationen auf«. Doch es ist erstaunlich, was dieser Schritt gerade für hochsensible Gemüter bewirken kann, und vor allem wie viele blinde Flecken es dabei im Alltag gibt. Beim Schutz vor der Informationsflut denken wir zuerst an Nachrichten, TV-Sendungen oder die Unmengen an Social-Media-Kanälen. Natürlich ist es eine gute Reizreduzierung, wenn wir uns diesen Informationskanälen mal nicht aussetzen. Aber besonders für Hochsensible reicht das oft nicht, um wirklich ausgleichende Ruhe finden zu können. Denn für die hochsensible Reizverarbeitung kann jede weitere Information eine enorme Belastung bedeuten.

Stell dir deine hochsensiblen Sinneskanäle als deinen kostbarsten Schatz vor. Sie sind zu wundervollen Eindrücken fähig, aber gleichzeitig sehr empfindlich. Deshalb ist es wichtig genau abzuwägen, welche und vor allem wie viele Informationen deine Sinne berühren dürfen. Deine Aufmerksamkeit ist der Filter, mit dem du diesen Schritt lenken kannst. Benutze diesen Filter sehr weise. Finde genau heraus, was deine Sinne beflügelt und was sie überreizt. Sei dabei ehrlich zu dir selbst: Ist es die tägliche Plauderei mit einem Kollegen, die deine Ohren klingeln lässt? Kannst du durch das spannende Buch nicht gut einschlafen? Belastet dich der klagende Anruf deiner besten Freundin?

Es sind oft ganz alltägliche und beiläufige Informationen, die wir irgendwo aufschnappen und die uns dann beschäftigen und belasten. Besonders Menschen mit hoher Empathie erleben all die Geschichten und Bemerkungen von anderen aktiv mit, regen sich innerlich mit auf und denken angestrengt über mögliche Lösungen nach. Die Informationsflut verändert unsere Gedanken und Gefühle, und damit auch unser Verhalten enorm.

Um herauszufinden, welche Informationskanäle täglich auf dich einwirken und was sie in dir langfristig auslösen, kannst du ein Journal darüber führen. Versuche wirklich jeden Kanal zu entdecken, auch jene, die weniger sensible Menschen vielleicht als angenehmen Austausch erleben. Schreibe in einer zweiten Spalte ehrlich auf, inwiefern dich dieser Informationskanal beeinflusst oder beeinträchtigt. Überlege dir dann genau, wie du diesen Kanal abschalten oder in geringerem Maß halten kannst. Mit der Zeit wirst du ein gutes Gespür dafür entwickeln und bemerken, wie wohltuend eine genaue Informationsdosierung wirken kann.

Leitfaden Schritt 3: Dosiere sinnvoll Informationen


Führe ein tägliches Journal:

  • 1. Spalte: Liste all deine Informationskanäle auf (auch Bücher, Filme, Gespräche, etc. gehören dazu) – Wie oft nutzt du sie?
  • 2. Spalte: Schreibe selbstehrlich zu jedem Kanal, wie er dich emotional & gedanklich beeinflusst oder beeinträchtigt
  • 3. Spalte: Halte fest, wie du diesen Kanal abschalten oder besser dosieren kannst.
  • Genieße die entstehende innere Ruhe

Schritt 4: Perfektionismus adé – Lass das Ruder ruhen

Hierbei geht es wie bei der Informationsdosierung darum, dein alltägliches Reizniveau in einen entspannten Bereich zu bringen. Doch diesmal passiert das auf der Ebene deiner erlernten Glaubenssätze und Einstellungen, die zu einem bestimmten Verhalten führen (siehe ABC-Schema von Schritt 2). Es ist offenbar ein Phänomen vieler hochsensibler Menschen, aufgrund ihrer feinfühligen Art eine enorme Detailverliebtheit und Genauigkeit entwickeln.

In Verbindung mit der Einstellung zu emotional und nicht belastbar genug zu sein, führt das mitunter zu einem Perfektionismus aus enormer Gewissenhaftigkeit und einem riesigen Verantwortungsbewusstsein. »Ich muss der Welt beweisen, dass ich belastbar und leistungsfähig bin.« Viele Hochsensible fühlen sich dadurch permanent zuständig für Freunde, Familie, Kollegen sowie sämtliche anfallende Aufgaben. Diese harte Einstellung gegen sich selbst öffnet die Tore für Überlastung und Erschöpfung. Wenn manche es dann nur noch bis aufs Sofa schaffen, kommen oft noch Selbstvorwürfe hinzu. Es entsteht eine Spirale der Selbstabwertung und Erschöpfung.

Einen ersten Schritt raus aus dieser Spirale kannst du tun, indem du deinen eigenen Perfektionismus hinterfragst: auf welche erlernten Glaubenssätze und Einstellungen stützt er sich? Meist beginnen diese Sätze mit »Ich müsste« oder »Ich sollte«, und sie laufen automatisch ab. »Ich müsste besser sein.« »Ich sollte das schneller schaffen.« Oder auch: »Ich könnte niemals entspannen, wenn noch Aufgaben anstehen.« Wenn du solche oder ähnliche automatische Sätze entdeckst, schreib sie auf und schau mal, woher sie kommen. Klingen diese Stimmen vielleicht nach deinen Eltern oder einem Lehrer? Überlege dann, wie diese Sätze dein Verhalten im Alltag steuern und was passieren würde, wenn du ihnen nicht mehr zuhörst.

Der letzte Schritt ist am wichtigsten: Formuliere daneben neue Glaubenssätze, die deine Selbstsorge und Selbstliebe unterstreichen. Sie dürfen positiv formuliert sein und beginnen mit »Ich kann« oder »Ich darf«: »Ich kann langsam und ruhig arbeiten.« »Ich darf genießen und entspannen, auch wenn noch Dinge unerledigt sind.« Diese Sätze kannst du als positive Affirmationen jeden Tag bewusst lesen. Stell dich am besten vor einen Spiegel und sag sie zu dir selbst. So entsteht neben den alten Stimmen langsam eine neue Stimme, die dir gehört.

Neben deiner neugewonnenen Selbstsorge geht es auch darum zu lernen, Aufgaben zu delegieren und Verantwortung abzugeben. Denn vieles, was wir uns aufbürden, haben wir anderen abgenommen oder uns überhelfen lassen, obwohl es gar nicht unsere Baustelle ist. Es ist ok, wenn du die Welt retten möchtest – dabei darfst du mit dir selbst beginnen. Fang bei deiner Selbstsorge an.

Leitfaden Schritt 4: Leg den Perfektionismus ab

  • Ergründe deine perfektionistischen Glaubenssätze (»Ich sollte, müsste, darf nicht«)
  • Formuliere neue, positive Sätze der Selbstsorge (»Ich kann, darf«)
  • Sage diese positiven Affirmationen täglich zu deinem Spiegelbild
  • Lerne dadurch Aufgaben und Verantwortung abzugeben

Schritt 5: Genieße das Spiel auf dem Sonnendeck

Ein wesentlicher Faktor der Selbstsorge liegt in der Fähigkeit des Genießens. Sinnlich das Schöne, Wahre und Gute wahrzunehmen und sich daran zu erfreuen, bildet den wichtigen Ausgleich zu stressigen und schwierigen Situationen. Du kannst es dir wie zwei miteinander verbundene Behälter vorstellen: der Muße-Behälter füllt sich, während der Stress-Behälter sich leert. Die Fähigkeit zum Genuss – auch als Savouring-Konzept bekannt* – ist ein Element der positiven Psychologie, weil sie einen großen Einfluss auf unser allgemeines Glücksempfinden hat. Dabei wurde festgestellt, dass Menschen am glücklichsten sind, wenn sie im Alltag viele kleine Momente des Genießens erleben und deshalb häufig positive Emotionen verspüren. Es geht also um die kleinen Dinge.

Viele Menschen haben diese Genussfähigkeit leider verlernt, weil ihre Gedanken ständig um vergangene Ereignisse oder zukünftige Sorgen und Pläne kreisen. Auch das gilt in besonderem Maße für Hochsensible, besonders wenn sie bereits überreizt und erschöpft sind. In diesem Zustand ist es schwer möglich, die feinen Sinneskanäle für das Hier und Jetzt zu öffnen und sich am Moment zu erfreuen. Doch gerade dann ist dieser momenthafte Genuss genau das, was hochsensible Menschen bräuchten, um in ihrem Alltag eine Balance zu schaffen.

Um diesen Schritt zu gehen, kannst du erstmal herausfinden, in welchen Momenten du Genuss und Muße empfindest. Was tust du, wenn du ganz im Hier und Jetzt bist? Welche Aktivitäten fühlen sich entspannend, nährend und erhebend an? Liste mindestens 20 Aktivitäten auf, ohne groß darüber nachzudenken. Wirken manche Punkte auf deiner Liste albern oder kindisch? Sehr gut! Wenn dein inneres, spielerisches Kind angesprochen wird, bist du auf der richtigen Fährte. Ob Musik hören, backen, spazieren gehen, ein Bad nehmen oder andere schöne Dinge – alles ist erlaubt, solange es sich nicht wie eine weitere Aufgabe auf deiner To Do-Liste anfühlt.

Schaue nun in deinen Wochenplan und schaffe dir darin Inseln des Genießens: erlaube dir mindestens einmal täglich eine nährende Aktivität aus deiner Liste zu erleben. Denk dran, es geht um viele kleine Genussmomente im Alltag. Einmal pro Woche verabredest du dich mit dir selbst zu einem größeren Abenteuer, vielleicht ein Ausflug in den Wald oder tanzen gehen. Experimentiere mit dem genussvollen Alleinsein und finde heraus, was dein Herz auf wundervolle Art höherschlagen lässt.

Um die Fähigkeit zum Genuss (wieder) zu erlernen, sind zwei Komponenten entscheidend: die sinnliche Wahrnehmung von schönen Dingen im Hier und Jetzt, und die positive Bewertung dieses Erlebens. Während du deinen nährenden Aktivitäten nachgehst, haben alle negativen Gedanken Urlaub. Alle »Ich müsste, ich sollte«-Sätze werden für diese Zeit hinaus komplimentiert. Das gilt auch für Einstellungen wie »Ich habe keine Zeit für sowas« oder »Ich bin zu alt für solchen Quatsch«. Wenn du dir Genuss und kindlichen Spaß erlaubst und diese Zeit auch positiv bewertest, wird das nicht nur dein Stressniveau senken, sondern du lässt auch mehr Lebensfreude und Begeisterung in dein Leben. Gönn dir selbst die Zeit auf den Genuss-Inseln.

Leitfaden Schritt 5: Erschaffe Genuss-Inseln

  • Liste mind. 20 nährende Aktivitäten auf
  • Baue sie bewusst in deinen Wochenplan ein (mind. 1x täglich)
  • Erlaube dir mind. 1x pro Woche ein größeres Abenteuer
  • Bewerte deine Genussmomente positiv – negative Gedanken haben Urlaub

* nach Barbara Fredrickson

Dein Fixstern für Entspannung und Gelassenheit mit Hochsensibilität

Vielleicht ist dir aufgefallen, dass die fünf Schritte sich hauptsächlich um deine innere Bewertung und die daraus resultierenden Handlungen drehen. Das hat einen einfachen Grund: wir können weder unsere Hochsensibilität noch die äußeren Reize und Umwelteinflüsse ändern, gerade wenn wir rausgehen. Wir können aber unsere Einstellung zu den Reizen beeinflussen und dadurch unseren Umgang damit verändern.

Es ist wie mit dem Wetter: wenn du unterwegs bist und es fängt an zu regnen, dann kannst du nicht verhindern nass zu werden. Aber du kannst bewusst entscheiden, ob du dich darüber aufregst und die Situation verfluchst, oder den Moment, so wie er gerade ist, akzeptierst und in Ruhe nach hilfreichen Handlungsmöglichkeiten suchst. Vielleicht entdeckst du dabei ein paar Kinder, die begeistert durch die Pfützen springen und erinnerst dich an deinen spielerischen Umgang mit unverhofften Erlebnissen.

Das Gleiche gilt für Situationen, in denen du dich überfordert oder von Reizen überflutet fühlst. Du kannst deine hochsensible Veranlagung und die äußeren Reize nicht ändern, aber einen bewussten und akzeptierenden Umgang damit kannst du aufbauen. Dein Stresslevel wird sich dadurch deutlich verringern, während du entspannter reagieren kannst.

Natürlich brauchen die Schritte etwas Übung, um ihre volle Wirkung zu entfalten. Zu Beginn kannst du dich erstmal auf einen Schritt konzentrieren. Das Gute ist: es sind die kleinen Veränderungen im Alltag, die zu großer Erleichterung, innerer Ruhe und Gelassenheit führen. Mit der Zeit wird es dir leichter fallen und zur Gewohnheit werden. Geh einfach den ersten Schritt.

Frage: Was hast du bisher versucht, um mit Überreizung und Überforderung umzugehen? Was hat gut funktioniert, was nicht so gut? Teile deine Erfahrungen gern unten in den Kommentaren.